I. Zielsetzung und Notwendigkeit der Regelungen

Der vorliegende Gesetzentwurf dient der Umsetzung der Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (ABl. L 305 vom 26.11.2019, S. 17, im Folgenden: Hinweisgeberschutz-Richtlinie). Die Richtlinie muss bis zum 17. Dezember 2021 in innerstaatliches Recht umgesetzt werden. Mit einem neuen Gesetz zum Schutz hinweisgebender Personen (Hinweisgeberschutzgesetz, HinSchG) soll der bislang lückenhafte und unzureichende Schutz hinweisgebender Personen in der Bundesrepublik Deutschland ausgebaut werden. Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber leisten einen wichtigen Beitrag zur Aufdeckung und Ahndung von Verstößen. Allerdings sind sie in der Vergangenheit oftmals infolge einer Meldung oder Offenlegung von Missständen Repressalien ausgesetzt gewesen. Denn Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber handeln im Spannungsverhältnis zwischen dem öffentlichen Interesse an der Aufdeckung von Rechtsverstößen und Missständen in Betrieben und Behörden einerseits und ihren zivil-, arbeits- und dienstrechtlichen Pflichten andererseits. Wer sich dazu entschließt Missstände zu melden oder gar publik zu machen, muss nicht nur mit Repressalien wie beispielsweise Mobbing rechnen, sondern verstößt damit mitunter auch selbst gegen arbeits-, dienst oder strafrechtliche Bestimmungen.

Bislang gelten für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die den zuständigen Behörden echte oder vermeintliche Gesetzesverstöße melden, die allgemeinen Regelungen. Vor allem aus dem Rücksichtnahmegebot des § 241 Absatz 2 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) wird der grundsätzliche Vorrang betriebsinterner Aufklärung gefolgert, damit dem betroffenen Unternehmen nicht durch vorschnelle Anzeigen oder Offenlegungen Schaden zugefügt wird. Nach dem Beamtenrecht ist internes Whistleblowing nur zulässig bei der ordnungsgemäßen Ausübung des beamtenrechtlichen Beschwerderechts sowie bei der Wahrnehmung der Beratungspflicht und des Remonstrationsrechts beziehungsweise der Remonstrationspflicht. Gesetzliche Vorgaben regeln indes nicht ausdrücklich, wann in diesem Spannungsverhältnis die Wahrnehmung staatsbürgerlicher Pflichten die Verschwiegenheits- und Loyalitätspflicht gegenüber dem Arbeitgeber oder dem Dienstherrn überwiegt und damit eine Offenbarung von Missständen rechtfertigt.

Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat sich mit dem Schutz hinweisgebender Personen befasst und in seiner Grundsatzentscheidung im Fall Heinisch Feststellungen für die Abwägung zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen getroffen. 2003 hatte eine Pflegerin in einem Berliner Pflegeheim mehrfach Personalnotstand und unhaltbare Pflegezustände zunächst bei ihrem Arbeitgeber, dann bei der übergeordneten Heimaufsicht angezeigt. Diese stellte gravierende Pflegemängel fest. Da der Arbeitgeber keine Maßnahmen ergriff, um die Mängel abzustellen, erstattete die Pflegerin Strafanzeige gegen die verantwortlichen Personen wegen Betrugs. Die Staatsanwaltschaft stellte das Verfahren ein und der Pflegerin wurde von ihrem Arbeitgeber gekündigt. Die Kündigung hielt einer arbeitsgerichtlichen Prüfung stand. Im Juli 2011 urteilte der EGMR, dass eine Verletzung von Artikel 10 (Freiheit der Meinungsäußerung) der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) vorlag. Der EGMR bestätigte dabei die Pflicht des Arbeitnehmers zu Loyalität, Zurückhaltung und Vertraulichkeit gegenüber seinem Arbeitgeber und bezeichnete den Gang an die Öffentlichkeit als „letztes Mittel“. Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung seien unter anderem das öffentliche Interesse an der Information, deren Wahrheitsgehalt, Handlungsalternativen des Arbeitnehmers, aber auch die Gründe für dessen Handeln zu berücksichtigen (EGMR v. 21.07.2011, NZA 2011, S. 1269, Rn. 61 ff.). Die Umstände dieses Falles, die vorausgegangenen erfolglosen internen Meldungen, die Reaktion des Arbeitgebers und die Dauer des Verfahrens zeigen beispielhaft, wie notwendig klare gesetzliche Regelungen für hinweisgebende Personen sind.

 Deutsche Gerichte der Zivil- und Arbeitsgerichtsbarkeit orientieren sich seitdem immer wieder an den Vorgaben des EGMR (vergleiche BAG v. 31.07.2014, NZA 2015, S. 245, Rn. 63; BAG v. 21.09.2011, NZA 2012, S. 317, Rn. 33; BAG v. 14.12.2011, AP BGB § 667 Nr. 2, Rn. 23; LAG Düsseldorf v. 04.03.2016, BeckRS 2016, S. 68431, Rn. 49; LAG Köln v. 05.07.2012, BeckRS 2012, S. 75713; LAG Schleswig-Holstein v. 20.03.2012, BeckRS 2012, S. 68879; LAG Berlin-Brandenburg v. 07.11.2013, BeckRS 2014, S. 74315, LAG Rheinland-Pfalz v. 17.11.2016, BeckRS 2016, S. 112640; LAG Rheinland-Pfalz v. 15.05.2014, BeckRS 2014, S. 70644; LAG Hamm v. 15.03.2013, BeckRS 2013, S. 69437; OLG Frankfurt v. 08.05.2014 Az. 16 U 175/13). Einzelfallbezogene Entscheidungen bedeuten allerdings keine Rechtssicherheit für die Betroffenen. Selbst mit guter juristischer Beratung kann ein potenzieller Whistleblower im Vorfeld, also zum Zeitpunkt, zu dem er sich entscheiden muss, ob er auf einen beobachteten Missstand aufmerksam machen soll oder nicht, nicht verlässlich einschätzen, ob er sich durch das Informieren zuständiger Behörden rechtskonform verhält oder nicht. Für Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber bleibt damit ein erhebliches Risiko, wenn sie einen Missstand aufdecken wollen. Die Rechtslage hat sich allerdings durch die Umsetzung europarechtlicher Vorgaben für einzelne Sektoren und speziell im Bereich der Finanzdienstleistungen geändert. Denn vereinzelt enthalten einschlägige Verordnungen und Richtlinien der Europäischen Union Regelungen zum Hinweisgeberschutz beziehungsweise zu Mechanismen zur Meldung von Verstößen, die entsprechend in nationales Recht umgesetzt wurden (so etwa Artikel 71 der Richtlinie 2013/36/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über den Zugang zur Tätigkeit von Kreditinstituten und die Beaufsichtigung von Kreditinstituten und Wertpapierfirmen, zur Änderung der Richtlinie 2002/87/EG und zur Aufhebung der Richtlinien 2006/48/EG und 2006/49/EG (ABl. L 176 vom 27.6.2013, S. 338), Artikel 28 der Verordnung (EU) 1286/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. November 2014 über Basisinformationsblätter für verpackte Anlageprodukte für Kleinanleger und Versicherungsanlageprodukte (PRIIP) (ABl. L 352 vom 9.12.2014, S. 1) oder jüngst die Ausnahmen in Artikel 5 der Richtlinie (EU) 2016/943 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 8. Juni 2016 über den Schutz vertraulichen Know-hows und vertraulicher Geschäftsinformationen (Geschäftsgeheimnisse) vor rechtswidrigem Erwerb sowie rechtswidriger Nutzung und Offenlegung (ABl. L 157 vom 15.6.2016, S. 1)). Von besonderer Bedeutung in diesem Zusammenhang sind die Regelungen zum Schutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern im Bereich der von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) beaufsichtigten Unternehmen in § 4d des Finanzdienstleistungsaufsichtsgesetzes (FinDAG). Auch auf internationaler Ebene wurde die Diskussion um einen besseren Schutz hinweisgebender Personen in den vergangenen Jahren immer intensiver geführt. International verbreitet sich der Konsens, dass Whistleblower einen effektiven gesetzlichen Schutz benötigen, um insbesondere Korruption zu verhindern. 1999 wurden mit dem im Europarat geschlossenen Zivilrechtsübereinkommen über Korruption erstmals allgemeine internationale Regeln im Bereich Zivilrecht und Korruption festgelegt. Das Übereinkommen trat 2003 in Kraft, seine Durchführung wird von der Staatengruppe gegen Korruption (GRECO) überwacht. Artikel 9 des Übereinkommens sieht vor, dass „Beschäftigte, die den zuständigen Personen oder Behörden in gutem Glauben einen begründeten Korruptionsverdacht mitteilen, angemessen vor ungerechtfertigten Nachteilen geschützt werden.“ Die Bundesrepublik Deutschland konnte das Übereinkommen bislang anders als fast alle anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union nicht ratifizieren, da nach dem bisher geltenden deutschen Recht ein solcher umfassender Hinweisgeberschutz nicht besteht (vergleiche die Unterrichtung des Deutschen Bundestages durch die Bundesregierung vom 2. April 2013, Bundestagsdrucksache 17/12996, S. 2). Das Zivilrechtsübereinkommen über Korruption wird von einem entsprechenden Übereinkommen für den Bereich des Strafrechts flankiert, das in Artikel 22 einen wirksamen und angemessenen Schutz von Personen vorsieht, die mit den für die Ermittlung und Strafverfolgung zuständigen Behörden zusammenarbeiten oder als Zeugen Aussagen in Bezug auf Korruptionsstraftaten machen. Dieses Übereinkommen wurde von der Bundesrepublik Deutschland 2017 ratifiziert. Die Vorgaben der EMRK im Hinblick auf die Achtung der Meinungsfreiheit hinweisgebender Personen wurden durch Empfehlungen und Entschließungen der Parlamentarischen Versammlung und des Ministerkomitees, dem die Überwachung der Umsetzung von Urteilen des EGMR obliegt, näher ausgestaltet und ergänzt. Beispielsweise fordert die Empfehlung CM/Rec (2014)7 des Ministerkomitees des Europarates aus dem Jahr 2014 einen umfassenden rechtlichen Schutz von Hinweisgebern und stellt hierfür 29 Grundsätze auf, die die nationalen Regelungen zum Schutz hinweisgebender Personen leiten sollen. Auf internationaler Ebene steht neben den Initiativen des Europarates das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen Korruption vom 31. Oktober 2003, das die Bundesrepublik Deutschland 2014 ratifiziert hat. Artikel 33 des Übereinkommens zielt auf den Schutz von Personen, die gegenüber den zuständigen Behörden „in redlicher Absicht und mit hinreichender Begründung“ Angaben zu (im Übereinkommen näher beschriebenen) Straftaten machen. Die Vertragsstaaten werden aufgefordert, entsprechende Maßnahmen zu „erwägen“. Damit verpflichtet die Konvention die Vertragsstaaten zwar zur systematischen Prüfung, nicht aber zu einer konkreten Normsetzung. Die Staats- und Regierungschefs der G20-Staaten haben 2019 bei ihrem Gipfeltreffen in Osaka hochrangige Grundsätze für einen wirksamen Hinweisgeberschutz beschlossen (High Level Principles for the Effective Protection of Whistleblowers), die das Ziel eines weitreichenden Schutzes von Whistleblowern verfolgen. Sie fordern eine Gesetzgebung zum Schutz hinweisgebender Personen mit einem breiten, aber klar definierten sachlichen und einem weiten persönlichen Anwendungsbereich, einem umfassenden Schutz der Vertraulichkeit der Identität hinweisgebender Personen sowie wirksamen Sanktionen für Fälle, in denen hinweisgebende Personen von Repressalien betroffen sind. Die OECD-Arbeitsgruppe für Bestechungsfragen hat in ihrem Phase 4-Evaluierungsbericht zur Bekämpfung der Auslandsbestechung durch die Bundesrepublik Deutschland 2018 empfohlen, dass die Bundesrepublik Deutschland dringend die Gesetzeslage ändert und klare, umfassende Schutzmaßnahmen für Informanten ergreift, etwa durch ein spezielles Gesetz zum Schutz hinweisgebender Personen, das auf alle Bereiche des öffentlichen Dienstes und der Privatwirtschaft anwendbar ist (OECD, Umsetzung des OECD-Übereinkommens über die Bekämpfung der Bestechung Bericht zu Phase 4. Deutschland, S. 100). Neben den skizzierten Initiativen im internationalen Raum wurde im Europäischen Parlament in den vergangenen Jahren eine umfassende horizontale Regelung zum Schutz von Hinweisgebern gefordert. Zu den jüngeren Aktivitäten zählt insbesondere die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 4. Februar 2017 zur Rolle von Informanten beim Schutz der finanziellen Interessen der EU (2016/2055(INI)). Das Parlament bedauerte, „dass die Kommission es bislang versäumt hat, Legislativvorschläge zur Schaffung eines Mindestschutzes für europäische Hinweisgeber vorzulegen” (unter Y. 1.). Der Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten wies in seiner Stellungnahme zu der Entschließung (2016/2224(INI)) nicht nur auf die aus dem internationalen Recht abzuleitenden Vorgaben hin, sondern erklärte auch den unterschiedlichen Schutz von Hinweisgebern in den Mitgliedstaaten für unbefriedigend. Durch die internationalen Vorgaben, die Initiativen des Europäischen Parlamentes sowie das Engagement der Zivilges ellschaft war der Druck auf die Europäische Kommission hoch, einen Vorschlag für eine umfassende und horizontale Regelung zum Umgang mit hinweisgebenden Personen vorzulegen. Getragen von dem Willen, einen politischen Rahmen zur Stärkung des Hinweisgeberschutzes auf EU-Ebene zu schaffen, hat die Kommission am 23. April 2018 ihren „Vorschlag für eine Richtlinie zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“ veröffentlicht. Ziel des Vorschlages war eine Mindestharmonisierung des Schutzes von hinweisgebenden Personen durch eine horizontale Richtlinie mit einem weiten Anwendungsbereich (KOM (2018) 218 endgültig). Erreicht werden sollte eine bessere Rechtsdurchsetzung in der Europäischen Union und ein europaweit geltendes einheitliches hohes Schutzniveau für Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber durch eine gesetzgeberische Ausgestaltung des durch den EGMR herausgearbeiteten Grundrechtsschutzes. Flankiert wurde der Richtlinienvorschlag von einer Mitteilung, die weitere Empfehlungen zum Schutz von Hinweisgebern auf EU-Ebene und durch die Mitgliedstaaten enthält (KOM (2018) 214 endgültig). In der Mitteilung beschreibt die Kommission verschiedene Maßnahmen auf EU-Ebene zum Schutz von Hinweisgebern wie den Schutz von Journalisten (Kofinanzierung von Projekten des Europäischen Zentrums für Presse und Informationsfreiheit), die Förderung des Schutzes von Hinweisgebern im Bereich der Korruptionsbekämpfung sowie die aktive Rolle des europäischen Bürgerbeauftragten beim Schutz von Hinweisgebern. Den Mitgliedstaaten werden die Umsetzung der Empfehlungen des Europarates zum Hinweisgeberschutz aus dem Jahr 2014 sowie verschiedene Beratungs- und Unterstützungsmaßnahmen für potentielle hinweisgebende Personen, kleine und mittlere Unternehmen und Bedienstete nationaler Behörden empfohlen. Die Hinweisgeberschutz-Richtlinie wurde im EU-Amtsblatt vom 26. November 2019 veröffentlicht und ist am 16. Dezember 2019 in Kraft getreten. Der sachliche Anwendungsbereich der Hinweisgeberschutz-Richtlinie orientiert sich an den Kompetenzen der Europäischen Union und ist primär aus Gründen der beschränkten Gesetzgebungskompetenz auf spezifische Bereiche beschränkt (Artikel 2 der Hinweisgeberschutz-Richtlinie). In diesem Rahmen umfasst er die Felder, in denen vor allem „Insider“ zur Aufklärung von Missständen beitragen können. Es geht um Politikbereiche, in denen Verstöße erhebliche Risiken für das Gemeinwohl bergen, indem sie ernsthafte Gefahren für das öffentliche Gemeinwohl schaffen, und Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber sich in einer privilegierten Position befinden, um Verstöße ans Licht zu bringen (Erwägungsgrund 3). Der persönliche Anwendungsbereich der Hinweisgeberschutz-Richtlinie ist sehr weit gefasst (Artikel 4). Geschützt werden sollen nicht nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer im Sinne von Artikel 45 Absatz 1 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) einschließlich der Beamtinnen und Beamten, sondern unter anderem auch Praktikantinnen und Praktikanten, Freiwillige und Anteilseignerinnen und Anteilseigner, aber auch externe Auftragnehmer und Lieferanten sowie Personen, deren Arbeitsverhältnis bereits beendet ist oder noch nicht begonnen hat und sich in einem vorvertraglichen Stadium befindet. Der Schutz greift allerdings nur dann, wenn die Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber davon ausgehen durften, dass die gemeldeten Informationen der Wahrheit entsprachen (Artikel 6). Auf eine bestimmte Motivation der meldenden Person kommt es hingegen nicht an; sie verliert ihren Schutz nicht dadurch, dass sie einen Rechtsverstoß etwa nur aus eigensüchtigen Motiven oder zum eigenen Vorteil meldet (Erwägungsgrund 32). Die Hinweisgeberschutz-Richtlinie sieht ein gestuftes Meldesystem vor (Artikel 7, 10, 15): Auf der ersten Stufe können Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber frei wählen, ob sie einen Verstoß zunächst intern melden oder sich an eine von dem jeweiligen Mitgliedstaat als zuständig benannte Behörde wenden (externe Meldung). Dabei wird an mehreren Stellen die Bedeutung interner Meldungen betont, da auf diesem Weg oftmals am schnellsten eine effektive Beseitigung von Missständen erreichen werden kann (Artikel 7 Absatz 2 und Erwägungsgrund 47 der Hinweisgeberschutz-Richtlinie). Die Hinweisgeberschutz-Richtlinie stellt konkrete Anforderungen an die Ausgestaltung und die Verfahrensabläufe von internen und externen Meldewegen. Die Vertraulichkeit der Identität der Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber steht dabei an vorderster Stelle (Artikel 16 der Hinweisgeberschutz-Richtlinie). Unbefugte Personen dürfen – auch wenn sie im selben Unternehmen beziehungsweise in derselben Behörde arbeiten – keinen Zugriff auf Dokumente (wie zum Beispiel EMail-Verläufe) haben, die Rückschlüsse auf die Identität der Hinweisgeberin oder des Hinweisgebers zulassen könnten. Der Gang von Hinweisgeberinnen oder Hinweisgebern an die Öffentlichkeit (zum Beispiel über soziale Netzwerke oder die Medien) wird nur in bestimmten Fällen geschützt, zum Beispiel dann, wenn eine externe Meldung an die für diese Meldung zuständige Behörde fruchtlos geblieben ist. Zum Schutz von hinweisgebenden Personen macht die Hinweisgeberschutz-Richtlinie unter anderem Vorgaben zu verbotenen Repressalien, wie zum Beispiel Suspendierung, Entlassung und vorzeitige Kündigung, und sieht eine Umkehr der Beweislast vor. Schließlich verpflichtet die Hinweisgeberschutz-Richtlinie die Mitgliedstaaten, wirksame, angemessene und abschreckende Sanktionen gegen juristische oder natürliche Personen vorzusehen, die eine nach der Hinweisgeberschutz-Richtlinie geschützte Meldung behindern oder zu behindern versuchen, gegen Hinweisgeberinnen oder Hinweisgeber vorgehen oder Vorgaben zur Vertraulichkeit der Identität der meldenden Person verletzen (Artikel 23 der Hinweisgeberschutz-Richtlinie). Verpflichtende Vorgaben für den Umgang mit anonymen Hinweisen sieht die Hinweisgeberschutz-Richtlinie nicht vor. Weder interne noch externe Meldestellen sind verpflichtet, technische Mittel oder Verfahren für anonyme Meldungen vorzuhalten. Vom Anwendungsbereich der Hinweisgeberschutz-Richtlinie vollständig ausgenommen sind der Schutz von Verschlusssachen, die anwaltliche und ärztliche Verschwiegenheitspflicht, das richterliche Beratungsgeheimnis sowie das Strafprozessrecht. Unberührt bleibt die Verantwortung der Mitgliedstaaten zur Gewährleistung der nationalen Sicherheit (Artikel 3 der Hinweisgeberschutz-Richtlinie).

 II. Wesentlicher Inhalt des Entwurfs

Die Vorgaben der Hinweisgeberschutz-Richtlinie sollen im Wesentlichen in einem neu zu schaffenden Stammgesetz (Gesetz zum Schutz hinweisgebender Personen, Hinweisgeberschutzgesetz – HinSchG) umgesetzt werden. Die Umsetzung erfordert weitgehende Anpassungen im nationalen Recht, um das vorgesehene Schutzsystem zu implementieren. Während bislang im deutschen Recht der Schutz hinweisgebender Personen nur fragmentarisch und uneinheitlich in verschiedenen Lebensbereichen ausgestaltet ist, sieht die Hinweisgeberschutz-Richtlinie ein einheitliches Schutzsystem für hinweisgebende Personen vor, die Verstöße in den verschiedensten Rechtsbereichen melden oder offenlegen. Dies lässt sich sinnvoll und systematisch logisch am besten durch ein neues Stammgesetz in das nationale Recht umsetzen, das für die Zukunft ein praktikables und anwendungsfreundliches Schutzsystem als Querschnittsinstrument etabliert. Die Umsetzung der Hinweisgeberschutz-Richtlinie erfordert neben dem Kernstück, dem HinSchG, [Anpassungen im Bundesbeamtengesetz und im Beamtenrechtsrahmengesetz], um die obligatorische  Einbeziehung der Beamtinnen und Beamten in den persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes sicherzustellen. Der Entwurf eines HinSchG in Artikel 1 gliedert sich wie folgt:

 1. Anwendungsbereich (§§ 1 und 2)

Der persönliche Anwendungsbereich ist entsprechend den Vorgaben der Hinweisgeberschutz-Richtlinie weit gefasst. Von der Hinweisgeberschutz-Richtlinie ausdrücklich umfasst werden neben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Sinne von Artikel 45 Absatz 1 AEUV einschließlich Beamtinnen und Beamten beispielsweise auch Selbständige, Anteilseigner, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Lieferanten und Personen, die bereits vor Beginn eines Arbeitsverhältnisses Kenntnisse von Verstößen erlangt haben. Um diesen Vorgaben zu genügen, wurde im Gesetzentwurf ein umfassender Ansatz gewählt. Der sachliche Anwendungsbereich wurde ausgehend vom sachlichen Anwendungsbereich der Hinweisgeberschutz-Richtlinie geringfügig ergänzt, um bei einer 1:1-Umsetzung der Richtlinie auftretende Wertungswidersprüche zu vermeiden und das Hinweisgeberschutzsystem für Rechtsanwenderinnen und Rechtsanwender handhabbar zu gestalten. Oftmals sind ursprünglich nationale und ursprünglich europäische Vorgaben so eng miteinander verwoben, dass andernfalls keine Rechtssicherheit gewährleistet wäre. Davon geleitet, Wertungswidersprüche zu vermeiden und praktikable Regelungen zu schaffen, wurden die in Artikel 2 Absatz 1 und dem Anhang Teil 1 der Hinweisgeberschutz-Richtlinie angelegten Rechtsbereiche in begrenztem Umfang auf nationales, korrespondierendes Recht ausgeweitet. Einbezogen wurden dabei insbesondere das Strafrecht und das Recht der Ordnungswidrigkeiten. Diese begrenzte Ausdehnung des sachlichen Anwendungsbereichs bei der Umsetzung der Richtlinienvorgaben steht im Einklang mit Artikel 2 Absatz 2 der Hinweisgeberschutz-Richtlinie, der eine Ausdehnung des Schutzes nach nationalem Recht gestattet. Auf diese Weise wird ein umfassender und kohärenter Rahmen für den Hinweisgeberschutz geschaffen (vergleiche Erwägungsgrund 5 der Hinweisgeberschutz-Richtlinie).

 2. Verhältnis zu sonstigem geltendem Recht (§§ 4 bis 6)

Die Hinweisgeberschutz-Richtlinie trifft ausdrückliche Anordnungen darüber, in welchen Fällen das durch sie vorgesehene Schutzsystem für hinweisgebende Personen nicht greift. Dabei geht es im Wesentlichen um zwei Konstellationen, die in § 4 Absatz 1 und in § 5 umgesetzt wurden: § 4 Absatz 1 enthält eine Aufzählung bereits bestehender Meldesysteme für Verstöße, die unionsrechtlich vorgegeben wurden und entweder unmittelbar gelten oder bereits für bestimmte Sektoren in nationales Recht umgesetzt wurden. Diese bereits eingerichteten Meldesysteme sollen durch das neue horizontale Instrument nicht abgeschafft werden, sondern mit ihrer jeweiligen Sonderzuständigkeit weiterhin bestehen bleiben. Neben diesen Systemen soll auch keine zusätzliche neue Zuständigkeit für bereits erfasste Sachverhalte eingerichtet werden. Soweit bereits ein Meldesystem greift, auf das § 4 Absatz 1 verweist, geht dieses vor und das HinSchG soll nicht angewendet werden. § 5 trifft Regelungen in Bezug auf besonders sensible Bereiche, bei denen Geheimhaltungsinteressen einer Meldung oder Offenlegung grundsätzlich entgegenstehen können. Die Ausnahmen vom Anwendungsbereich des allgemeinen Hinweisgeberschutzes sind durch die Hinweisgeberschutz-Richtlinie vorgegeben und sollen 1:1 umgesetzt werden. Ausgenommen sind Informationen, die die nationale Sicherheit oder wesentliche Sicherheitsinteressen des Staates oder besondere verteidigungs- und sicherheitsspezifische Aufträge betreffen, Verschlusssachen sowie solche Informationen, die dem richterlichen Beratungsgeheimnis oder der ärztlichen oder anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht unterfallen. Entsprechend den Vorgaben der Hinweisgeberschutz-Richtlinie stehen darüberhinausgehende Geheimhaltungspflichten einer Meldung oder Offenlegung nicht entgegen.

3. Interne und externe Meldesysteme (§§ 7 bis 30)

Es sind zwei Meldewege für hinweisgebende Personen vorgesehen, die gleichwertig nebeneinanderstehen und zwischen denen hinweisgebende Personen frei wählen können. Dies sind zum einen interne Meldekanäle beispielsweise innerhalb des betroffenen Unternehmens oder der betroffenen Behörde, zum anderen externe Meldekanäle, die bei einer unabhängigen Stelle eingerichtet werden. Von grundlegender Bedeutung sind die Vorgaben betreffend die Vertraulichkeit, die für beide Meldewege gleichermaßen gelten (vergleiche § 8). Damit das neue Schutzsystem wirksam und funktionstüchtig sein kann, ist es unerlässlich, dass die Identitäten aller von einer Meldung betroffenen Personen weitgehend geschützt werden.

Die Vorgaben zur Einrichtung interner Meldekanäle entsprechen den verpflichtenden Vorgaben der Hinweisgeberschutz-Richtlinie. Soweit möglich, wurde von Erleichterungen Gebrauch gemacht.

Eine externe Meldestelle auf Ebene des Bundes wird bei dem beziehungsweise der Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit (BfDI) angesiedelt. Diese zentrale Anlaufstelle im Sinne eines „one-stop-shop“ soll hinweisgebende Personen davon befreien, sich mit Zuständigkeitsfragen auseinandersetzen zu müssen, und davor bewahren, schon im Vorfeld einer Meldung den Mut zu verlieren, einen entsprechenden Sachverhalt oder Verstoß zu melden. Die externe Meldestelle des Bundes ist mit umfassenden Zuständigkeiten ausgestattet, soweit nicht die Länder eigene Meldestellen einrichten. Die externe Meldestelle kann Auskünfte einholen und erteilt der hinweisgebenden Person eine Rückmeldung über den Fortgang der Sache.

4. Offenlegung (§ 31)

Um allen Beteiligten Rechtssicherheit zu gewähren, werden in Umsetzung der Rechtsprechung des EGMR die Voraussetzungen festgelegt, bei deren Vorliegen eine hinweisgebende Person Informationen über einen Verstoß offenlegen darf. Hierbei ist auf eine Gefährdung des öffentlichen Interesses abzustellen oder darauf, dass der externe Meldeweg nicht ordnungsgemäß funktioniert. 

5. Schutzmaßnahmen (§§ 32 bis 38)

Hinweisgebende Personen werden bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen umfangreich vor Repressalien geschützt. Hierzu werden alle ungerechtfertigten Nachteile wie beispielweise Kündigung, Versagung einer Beförderung, geänderte Aufgabenübertragung, Disziplinarmaßnahmen, Diskriminierung oder Mobbing gezählt, die eine hinweisgebende Person infolge einer Meldung oder Offenlegung erleidet. Sichergestellt wird auch, dass die Schutzmaßnahmen für sonstige in den Schutzbereich der Richtlinie fallende Personen entsprechend gelten.

6. Sanktionen (§ 39)

Verstöße gegen die wesentlichen Vorgaben werden als Ordnungswidrigkeiten geahndet. Dies gilt für das Verhindern von Meldungen, das Ergreifen von Repressalien, das Nichterfüllen von Auskunftspflichten gegenüber einer externen Meldestelle sowie für Verstöße gegen den Schutz der Vertraulichkeit der Identität hinweisgebender Personen. Die Meldung oder Offenlegung wissentlich falscher Informationen durch hinweisgebende Personen wird nicht durch eine Neuregelung zusätzlich mit einer Geldbuße belegt. Zwar ist eine Sanktionierung wichtig, um Denunziantentum und das leichtfertige Weitertragen ungeprüfter Informationen zu verhindern. Allerdings genügen die Rechtsinstrumente des geltenden Rechts. Hierzu zählen neben den allgemeinen Schadensersatzvorschriften auch eine mögliche Strafbarkeit (Vortäuschen einer Straftat nach § 145d des Strafgesetzbuchs (StGB), falsche Verdächtigung nach 164 StGB sowie Verleumdung nach § 187 StGB).

7. Keine verpflichtende Nachverfolgung anonymer Meldungen

Um das neue Hinweisgeberschutzsystem nicht zu überlasten und erste Erfahrungen sowohl interner wie auch externer Meldestellen abzuwarten, ist keine Pflicht zur Bearbeitung anonymer Hinweise vorgesehen. Denn damit einhergehen würden nicht nur zusätzliche Kosten für die notwendigen technischen Vorrichtungen, sondern auch die Gefahr von denunzierenden Meldungen und einer Überlastung der Meldestellen. Gleichwohl fallen anonyme Hinweisgeberinnen und Hinweisgeber unter die Schutzbestimmungen, wenn ihre zunächst verdeckte Identität bekannt wird (vergleiche § 27 Absatz 1 Satz 2 HinSchG-E). III. Alternativen Die Initiative der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (Bundestagsdrucksache 19/4558) für ein „Gesetz zur Förderung von Transparenz und zum Diskriminierungsschutz von Hinweisgeberinnen und Hinweisgebern (Whistleblower-Schutzgesetz)“ wurde am 11. Oktober 2018 dem Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz federführend zugewiesen. Es handelt sich dabei um die aktualisierte Fassung eines Entwurfs aus der vorherigen Legislaturperiode (Bundestagsdrucksache 18/3039) und war bereits in Kenntnis des Richtlinienvorschlags der Kommission auf den Weg gebracht worden. Der Entwurf sollte zugleich eine politische Positionierung zum Richtlinienvorschlag der Kommission herbeiführen. Er ist damit ausdrücklich kein Vorschlag zur Umsetzung der Hinweisgeberschutz-Richtlinie und entspricht folglich nicht den dort enthaltenen Anforderungen. IV. Gesetzgebungskompetenz Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ergibt sich zu Artikel 1 und Artikel 2 aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 11 (Recht der Wirtschaft) und Nummer 12 (Arbeitsrecht) des Grundgesetzes (GG), sowie ergänzend als Annexkompetenz des Bundes zu den jeweiligen vom sachlichen Anwendungsbereich des Gesetzentwurfs berührten Gesetzgebungszuständigkeiten des Bundes nach Artikel 73 und 74 GG. Für die beamtenrechtlichen Regelungen folgt die Gesetzgebungskompetenz des Bundes aus Art. 73 Absatz 1 Nummer 8 GG (Bundesbedienstete) sowie aus Artikel 74 Absatz 1 Nummer 27 GG (Beamtenstatusrechte). [Artikel 3] Soweit der Gesetzentwurf Regelungen betreffend das Recht der Wirtschaft enthält, ergibt sich die Erforderlichkeit einer bundesgesetzlichen Regelung im gesamtstaatlichen Interesse vorliegend aus der Notwendigkeit, einheitliche Schutzstandards für hinweisgebende Personen zu schaffen. Eine unterschiedliche Behandlung wäre nicht vermittelbar und hätte zudem unmittelbaren Einfluss auf die Inanspruchnahme der Meldesysteme. Soweit die Pflicht zur Einrichtung der Meldesysteme sich an Wirtschaftsteilnehmer richtet, ist die Regelung durch Bundesgesetz auch zur Wahrung der Rechts- und Wirtschaftseinheit erforderlich. V. Vereinbarkeit mit dem Recht der Europäischen Union und völkerrechtlichen Verträgen Der Gesetzentwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar. Er dient der Umsetzung der Hinweisgeberschutz-Richtlinie. Die Hinweisgeberschutz-Richtlinie selbst stellt klar, dass auf EU-Recht basierende, sektorspezifische Meldesysteme vorgehen, vergleiche Artikel 3 Absatz 1. Soweit in den Erwägungsgründen der Hinweisgeberschutz-Richtlinie von der Notwendigkeit gesprochen wird, die Ausübung bestimmter Datenschutzrechte einzuschränken, die aus der Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung, DSGVO) (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 1) sowie aus der Richtlinie (EU) 2016/680 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten durch die zuständigen Behörden zum Zwecke der Verhütung, Ermittlung, Aufdeckung oder Verfolgung von Straftaten oder der Strafvollstreckung sowie zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung des 2008/977/JI des Rates (ABl. L 119 vom 4.5.2016, S. 89) herrühren (vergleiche Erwägungsgründe 84, 85), ist eine Regelung im HinSchG-E nicht veranlasst. Die für den Hinweisgeberschutz notwendigen Ausnahmetatbestände sind bereits im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) enthalten. [Ratifizierung des Zivilrechtsübereinkommen über Korruption, welches durch die Bundesrepublik Deutschland am 4. November 1999 unterzeichnet worden ist?] VI. Gesetzesfolgen 1. Rechts- und Verwaltungsvereinfachung Der Entwurf ist an die Maßgaben des umzusetzenden Unionsrechts gebunden. Er setzt diese Bestimmungen, soweit möglich, konkret und schonend um. 2. Nachhaltigkeitsaspekte Der Entwurf steht im Einklang mit den Leitgedanken der Bundesregierung zur nachhaltigen Entwicklung im Sinne der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie, welche der Umsetzung der UN Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung dient. Die Hinweisgeberschutz-Richtlinie dient der besseren Rechtsdurchsetzung der Unionsrechtsakte in ihrem Anwendungsbereich sowie der besseren Rechtsdurchsetzung der diese umsetzenden nationalen Vorschriften. Der Anwendungsbereich umfasst dabei eine Vielzahl von Instrumenten aus dem Bereich des Umwelt- und Klimaschutzes (vergleiche Anhang Teil I, E). Wie die Hinweisgeberschutz-Richtlinie selbst in Erwägungsgrund 10 anführt, „gestalten sich die Beweiserhebung, Verhütung, Aufdeckung und Bekämpfung von Umweltstraftaten und rechtswidrigen Handlungen nach wie vor problematisch […]“. Ein wirksamer und umfassender Schutz hinweisgebender Personen, wie er mit dem vorliegenden Entwurf eingeführt wird, ist ein probates Mittel, um den Vollzug des Umweltrechts zu verbessern. Dies dient – entsprechend der Rechtsakte im sachlichen Anwendungsbereich – dem Erreichen der Nachhaltigkeitsziele 6 „Sauberes Wasser und Sanitäreinrichtungen“, 7 „Bezahlbare und saubere Energie“, 13 „Maßnahmen zum Klimaschutz“, 14 „Leben unter Wasser“ und 15 „Leben an Land“. Zudem vom sachlichen Anwendungsbereich der Hinweisgeberschutz-Richtlinie erfasst sind Rechtsakte aus dem Bereich des öffentlichen Auftragswesens (Anhang Teil I, A), etwa Verfahrensregeln für die Vergabe von öffentlichen Aufträgen und Konzessionen. Eine Verbesserung der Durchsetzung der Regelungen dieses Bereichs dient der Umsetzung des Ziels 16 „Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen“. Ebenfalls erstreckt sich der Anwendungsbereich der Hinweisgeberschutz-Richtlinie auf Rechtsakte aus dem Bereich der Produktsicherheit und -konformität (Anhang Teil I, C), der Lebensmittel- und Futtermittelsicherheit (Anhang Teil I, G) und der öffentlichen Gesundheit (Anhang Teil I, H). Da unsichere Produkte oder Lebensmittel negative Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit nach sich ziehen können, dient ein Aufdecken von Missständen in diesen Bereichen der Umsetzung des Nachhaltigkeitsziels 3 „Gesundheit und Wohlergehen“. 3. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand Die neuen gesetzlichen Regelungen zum Schutz hinweisgebender Personen verlangen von Bund und Ländern die umfassende Einrichtung von internen Meldestellen in ihren jeweiligen Behörden, Verwaltungsstellen und Betrieben. Daneben werden auf Bundesebene zwei externe Meldestellen eingerichtet, eine davon bei dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, sowie eine weitere bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht. Die Pflicht zur Einrichtung einer internen Meldestelle betrifft unter 1 085 Gerichte auf Landesebene sowie neun Bundesgerichte (einschließlich zweier Truppengerichte) und etwa 5500 Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts (Angaben basierend auf Mitteilungen des Statistischen Bundesamtes). Ebenso sind sämtliche Behörden auf Landes- und Bundesebene zur Einrichtung verpflichtet. Daraus folgen Kosten für die Einrichtung, aber auch den Betrieb der Meldestellen. Die einmaligen Implementierungskosten dürften regelmäßig gegenüber den jährlich anfallenden Sach- und Personalkosten nur geringfügig höher ausfallen. Insbesondere bedarf es nicht der Anschaffung von rückkanalfähigen Kommunikationssystemen. Schwer abschätzbar ist das zu erwartende Meldungsaufkommen. Da mit dem vorliegenden Gesetz erstmalig ein kohä rentes Hinweisgeberschutzsystem errichtet wird, stehen insofern keine Daten zur Verfügung. Anhaltspunkte können sich etwa ergeben aus einem Vergleich zu dem in Niedersachsen existierenden System zur anonymen Abgabe von Hinweisen aus dem Bereich der Korruption und der Wirtschaftskriminalität: Innerhalb von zehn Jahren gingen dort über das internetbasierte Portal mehr als 2 700 Hinweise ein, aus denen sich nahezu 900 neue justizielle Ermittlungsverfahren im gesamten Bundesgebiet ergaben (Stand 2019). Zieht man diese Daten heran, ist indes zu beachten, dass dieses Portal auf Landesebene angesiedelt ist und lediglich für einen speziellen, eng umgrenzten Bereich eine Möglichkeit zur Meldung eröffnet. Auf der anderen Seite ist zu berücksichtigen, dass anders als nach dem HinSchG-E Hinweise anonym abgegeben werden konnten. [Ausführungen zum Meldeaufkommen in der Verwaltung] [Die Ermittlung der konkret zu erwartenden Haushaltsausgaben, die aufgrund der Einrichtung der internen Meldestellen beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz und den Gerichten und Behörden des Geschäftsbereichs (Einzelplan 07) anfallen, ist noch nicht abgeschlossen. Entsprechende Angaben werden nachgereicht.] [Bezüglich des Haushaltsaufwands für die übrigen Bundesressorts, die Länder und die Kommunen werden im Rahmen der Ressort- und Länderbeteiligung weitere Informationen eingeholt werden.] Aufgrund der verbesserten Möglichkeiten der Rechtsdurchsetzung sind Zugewinne aus Vermögenseinziehungen erzielbar, die zu Mehreinnahmen für den Bundeshaushalt und die Landeshaushalte führen. Das Impact Assessment der EU-Kommission geht davon aus, dass in Deutschland eine Vermögenseinziehung in Höhe von 250 bis 400 Millionen Euro allein aufgrund von Meldungen von Verstößen im Bereich der öffentlichen Auftragsvergabe möglich ist. 4. Erfüllungsaufwand a) Bürgerinnen und Bürger Bürgerinnen und Bürgern entstehen durch den Gesetzentwurf keine Pflichten; es entsteht mithin kein Erfüllungsaufwand. b) Wirtschaft Die Pflicht zur Einrichtung interner Meldestellen betrifft natürliche und juristische Personen des Privatrechts, rechtsfähige Personengesellschaften und sonstige rechtsfähige Personenvereinigungen mit regelmäßig mehr als 50 Beschäftigten. In Abhängigkeit des sachlichen Anwendungsbereichs beträgt die geschätzte Anzahl der Meldungen 1,2 Millionen beziehungsweise 1,6 Millionen bei Unternehmen (als rechtliche Einheiten) mit 50 und mehr Beschäftigten, die bisher keine Meldestelle eingerichtet haben und dies erst infolge der gesetzlichen Verpflichtung tun. Für Unternehmen (als rechtliche Einheiten) mit 50 bis 249 Beschäftigten, die bisher keine Meldestelle eingerichtet haben und dies erst infolge der gesetzlichen Verpflichtungen tun, liegt die geschätzte Anzahl, ebenfalls in Abhängigkeit der Annahmen, bei 422 000 beziehungsweise 585 000 Meldungen. Das Impact Assessment der Europäischen Kommission geht für ein Unternehmen mittlerer Größe von einmaligen Implementierungskosten von 1 374 Euro sowie jährlichen Betriebskosten von rund 1.055 Euro aus (Impact Assessment, S. 61). Für Unternehmen, die bereits ein Compliance System eingerichtet haben, können sich Einsparungseffekte dadurch ergeben, dass die bereits existierende Einheit den Vorgaben des Gesetzentwurfs angepasst werden kann. c) Verwaltung [Entsprechende Angaben werden im Rahmen der Ressort- und Länderbeteiligung abgefragt werden.] 5. Weitere Kosten In Abhängigkeit vom Meldeaufkommen ist auch mit nachgelagerten gerichtlichen Verfahren zu rechnen. Hierzu sind arbeitsgerichtliche Verfahren zwischen der hinweisgebenden Person und ihrer Arbeitgeberin beziehungsweise ihrem Arbeitgeber, zivilgerichtliche, aber auch Strafverfahren zu zählen. In welchem Umfang es hier zu einer erhöhten Belastung der Justiz kommt, ist derzeit nicht absehbar. Letztlich wird das Meldeaufkommen auch dadurch beeinflusst, welche Akzeptanz die Meldestellen innerhalb der Bevölkerung finden. Das Impact Assessment geht etwa davon aus, dass sich die Fallzahlen von Hinweisen über einen Zeitraum von fünf Jahren nach der Implementierung um 200 % steigern (dort S. 53). Kosten für soziale Sicherungssysteme werden nicht erwartet. Auch Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere auf das Verbraucherpreisniveau, sind nicht ersichtlich.

6. Weitere Gesetzesfolgen

Weitere Gesetzesfolgen, insbesondere verbraucherpolitische, gleichstellungspolitische und demografische Auswirkungen, sind nicht zu erwarten.

VII. Befristung; Evaluierung

Eine Befristung dieses Umsetzungsgesetzes kommt nicht in Betracht; auch die zugrundeliegende Hinweisgeberschutz-Richtlinie ist nicht befristet. Eine nationale Evaluierung ist notwendig, da der Erfüllungsaufwand 1 Million Euro übersteigt (vergleiche die Beschlüsse des Staatssekretärsausschusses Bessere Rechtsetzung und Bürokratieabbau vom 23. Januar 2013 und vom 26. November 2019). Die Evaluierung wird dabei vor allem die Entwicklung des Meldeaufkommens sowie die daraus resultierenden Gerichts- und Strafverfahren im Blick haben. Die notwendige Datengrundlage wird über § 25 HinSchG-E (Berichtspflicht der externen Meldestelle) geschaffen werden. Eine Auswertung der Meldungen der internen Meldekanäle ist indes nicht vorgesehen. Hier ist es im eigenen Interesse der Unternehmen, diese so auszugestalten, dass hinweisgebende Personen sie auch in Anbetracht der Möglichkeit einer externen Meldung in Betracht ziehen. Eine Evaluierung soll dabei erstmalig fünf Jahre nach Inkrafttreten erfolgen. Erst zu diesem Zeitpunkt lassen sich Trends in der Entwicklung des Meldeaufkommens nachhaltig abschätzen. Die Umsetzung der Hinweisgeberschutz-Richtlinie wird außerdem auf europäischer Ebene evaluiert werden. Die Europäische Kommission wird gemäß Artikel 27 Absatz 3 der Hinweisgeberschutz-Richtlinie die Auswirkungen der von den Mitgliedstaaten zur Umsetzung erlassenen nationalen Rechtsvorschriften bis zum 17. Dezember 2025 in einem Bericht an das Europäische Parlament und den Rat bewerten. Die Mitgliedstaaten haben der Kommission gemäß Artikel 27 Absatz 2 der Hinweisgeberschutz-Richtlinie jährliche Statistiken zu übermitteln, auf deren Grundlage die Evaluierung erfolgt.