Die EU-Richtlinie 2019/1937 „EU-Richtline zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden“, oder auch „Whistleblowing-Richtlinie“ genannt, verpflichtet Betriebe ab 250 Mitarbeiter, sowie Behörden ab 17.12.2021 zur Einrichtung von sicheren und anonymen Meldekanälen: einem Hinweisgeber-System.
Hinsichtlich juristischer Personen mit 50 bis 249 Arbeitnehmern gilt eine verlängerte Übergangsfrist bis zum 17. Dezember 2023 für die Einführung von Hinweisgebersystemen.
AKTUELL 18.7.2022: Eine aktuelle Einschätzung
Es ist sehr zu begrüßen, dass der Gesetzgeber einen neuen Entwurf zum Hinweisgeberschutzgesetz vorgelegt hat. Das liegt aber hauptsächlich daran, dass ihn europarechtliche Vorgaben dazu drängen. Der nun vorliegende zweite Entwurf geht zum Teil über die Vorgaben seitens der EU hinaus, an einigen Stellen greift der Entwurf hingegen nicht weit genug.
Der Entwurf von Marco Buschmann geht über die Anforderungen der EU- Whistleblower Richtlinie hinaus und schützt die Hinweisgeber nicht nur bei Meldungen von Verstößen gegen EU-Recht, sondern auch bei Meldungen von Verstößen gegen bestimmte Bereiche des nationalen Rechts. Bemängelt werden muss, dass dem Entwurf nach nur Meldungen von bestimmten Rechtsverstößen geschützt sind, etwa straf- oder bußgeldbewehrte Verstöße. Dadurch bleiben Meldungen vieler anderer potenzieller Missstände außen vor. Warum wird es hier kompliziert? Denn Hinweisgeber müssen einen Katalog im Gesetz durchgehen, um herauszufinden, ob der von ihnen beobachtete Verstoß auch wirklich in den Geltungsbereich fällt. Was oder wen will das Gesetz eigentlich schützen?
Die Unternehmen in Deutschland sind gut beraten, wenn sie ein effektives internes Meldesystem etablieren. Es droht ein Bußgeld von bis zu 20.000 EUR falls keine interne Meldestelle eingerichtet wird. Durch die Gleichstellung von internen und externen Meldesystemen haben Hinweisgeber die Möglichkeit, sofort extern zu melden falls die interne Meldestelle fehlt. Im Sinne eines Unternehmens sollte die interne Meldung sein, denn dass tatsächliche oder auch nur behauptete Verstöße zu staatlichen Kontrollen führen sollten die Unternehmen vermeiden. Bei einer internen Meldung haben die Unternehmen alle Fäden in der Hand, um eventuelle Probleme selbst zu lösen.
AKTUELL 12.7.2022: Wann werden die Kommunen aktiv?
In vielen Kommunen sind die Verwaltungen beim Thema Hinweisgeberschutz und der Umsetzung der EU-Richtlinie augenblicklich inaktiv und warten, bis das Gesetz die parlamentarische Hürde genommen hat. Da wir durch die Verzögerung bei der Umsetzung in deutsches Recht bereits wertvolle Zeit verloren haben, rechnen wir mit kurzen Fristen für die Einführung des Digitalen Hinweisgebersystems. Doch es gib auch Ausnahmen wie wir heute erfahren. Wenn Sie dazu mehr erfahren möchten kontaktieren Sie uns. Wir freuen uns, von Ihnen zu hören.
AKTUELL 4.7.2022: Kritik am Gesetzentwurf
Mit der Verabschiedung des Hinweisgeberschutzgesetzes sollen Arbeitnehmer oder Beamte künftig umfassend vor Repressalien geschützt werden. Dies könnten die Kündigung oder eine Abmahnung sein. Sobald sie auf Straftaten oder Verstöße aus ihrem beruflichen Umfeld aufmerksam machen, soll ihnen das neue Gesetz umfassenden Schutz bieten.
Da Deutschland bei der Umsetzung gezögert hat, wurde ein Vertragsverletzungsverfahren seitens der EU eingeleitet.
Mittlerweile gibt es einen zweiten Entwurf – diesmal heißt der verantwortliche Minister Marco Buschmann – und auch an diesem Text scheiden sich die Geister. Kritikpunkte sind u.a.:
- „legislative Übererfüllung“
- Verstöße gegen EU-Recht als auch gegen nationales Recht sollen meldepflichtig sein
- Soll eine Meldung INTERN oder EXTERN gemeldet werden?
- Wird der Kündigungsschutz unnötig aufgewertet?
AKTUELL 20.6.2022: Update Juni 2022
Mittlerweile haben rund 50 Nichtregierungsorganisationen sowie weitere Experten ihre Stellungnahmen zum Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes beim Bundesministerium der Justiz eingereicht. Nun heißt es abwarten. Welche Kritikpunkte in das Gesetz aufgenommen werden wird sich zeigen. Die Stellungnahmen können hier eingesehen werden.
AKTUELL 16.5.2022: Kommentare zum BMJ-Entwurf
Wer Missstände in Unternehmen oder bei Behörden meldet, soll zukünftig arbeitsrechtlich besser geschützt werden. Zum BMJ-Entwurf melden sich viele kritische Stimmen. Wie gut schützt er Whistleblower wirklich und bricht der Entwurf nicht mit dem Koalitionsvertrag und EU-Recht?
Die Fachleute aller Beteiligten haben sich die 100 Seiten vorgenommen und einige Ungereimtheiten gefunden. Die verfassungsrechtlichen Pflichten eines Beamten seien nicht ausreichend erfasst und die Abgabe eines anonymen Hinweises führt nicht zwingend zu einer Bearbeitung.
Bei der Frage des Konzernprivilegs steuert der Entwurf auf Konfrontation mit der EU. Die zuständige Abteilung der EU hat in mehreren Stellungnahmen diese Auslegung als ausgeschlossen bezeichnet. Hier droht ein Vertragsverletzungsverfahren und vor dem Europäischen Gerichtshof mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Niederlage.
AKTUELL 25.4.2022: Das steht im neuen Gesetzentwurf
Wer auf bestehende Missstände in seinem Unternehmen oder in seiner Behörde hinweist, soll künftig besser geschützt werden. Das ist das Ziel eines ca. 100-seitigen Gesetzentwurfs, den Bundesjustizminister Marco Buschmann an die anderen Ministerien, die Bundesländer und die beteiligten Verbände geschickt hat.
Der Gesetzentwurf soll den Whistleblowern und ihren Hinweisen auf Missstände geregelte Bahnen bieten. Dabei steht ein Digitales Meldesystem im Zentrum. Alle Unternehmen und öffentliche Stellen mit mehr als 50 Mitarbeitenden müssen ein internes Meldesystem einrichten. Die Unternehmen mit maximal 249 Beschäftigten haben dafür Zeit bis zum 17. Dezember 2023, die Unternehmen mit mehr als 249 Mitarbeitern sollten sofort handeln.
Für die Einrichtung der Meldestellen, rechnet das Ministerium laut Entwurf mit einmaligen Kosten für die Wirtschaft in Höhe von 190 Millionen EUR. Der laufende Aufwand wird auf rund 200 Millionen EUR pro Jahr geschätzt. Für die Verwaltungen werden Kosten von einmalig ca. 70 Millionen EUR erwartet. Die laufenden Kosten werden mit jährlich ca. 220 Millionen EUR veranschlagt.
AKTUELL 19.4.2022: Konzernprivileg und zentrale Hinweisgebersysteme
Bei großen, grenzüberschreitend tätigen Konzernunternehmen, deren Mitarbeiter in aller Regel Meldungen an ein zentrales Hinweisgebersystem bei der Muttergesellschaft abgeben können, greift der Rückgriff auf das System der Muttergesellschaft zukünftig nicht mehr.
Die EU-Kommission hat in Stellungnahmen vom 02.06., 29.06. und 16.07.2021 klargestellt: Unternehmen dürfen die Entgegennahme von Meldungen auf externe Dritte auslagern. Allerdings stellen die Konzernmutter oder eine andere Konzerngesellschaft keine externe Dritte dar. Unternehmen ab 250 Mitarbeiten müssen also ihr eigenes Digitales Hinweisgebersystem etablieren.
AKTUELL 11.4.2022: Es geht auch so! Eine Fall-Studie.
Die Infraserv Höchst betreibt den 460 Hektar großen Industrieparks Höchst und setzt bereits seit 2018 ein digitales Hinweisgebersystem ein. Anfänglich war die Skepsis bei Führungskräften und Betriebsrat sehr hoch. Wie so oft war die Befürchtung – Ein anonymes Hinweisgebersystem könne eine Denunziationskultur fördern – unbegründet. Ein Compliance-Vorfall in 2017 führte zum Umdenken. Heute genießt das System eine hohe Akzeptanz bei der Geschäftsführung und der Belegschaft. Auch ohne ein deutsches Gesetz, jedenfalls bis heute, gibt es Unternehmen die voran gehen und die Chancen eines Digitalen Hinweisgebersystem erkannt haben und frühzeitig an die Umsetzung gegangen sind. Weitere Informationen.
AKTUELL 5.4.2022: Die Umsetzungsfrist wurde verpasst – was muß jetzt beachtet werden?
Unternehmen in rein privater Hand obliegt nach Ablauf der Umsetzungsfrist (17.12.2021) erst einmal kein direkter Handlungszwang, wenn sie noch kein Hinweisgebersystem etabliert haben.
Die Pläne der Ampelkoalition
Der Koalitionsvertrag der Ampel hat folgenden Wortlaut: „Wir setzen die EU-Whistleblower-Rechtlinien rechtssicher und praktikabel um. Whistleblowerinnnen und Whistleblower müssen nicht nur bei der Meldung von Verstößen gegen EU-Recht vor rechtlichen Nachteilen geschützt sein, sondern auch von erheblichen Verstößen gegen Vorschriften oder sonstigem erheblichen Fehlerverhalten, dessen Aufdecken im besonderen öffentlichen Interesse liegt.“
Sehr spannend dabei ist der Hinweis auf das „sonstige erhebliche Fehlverhalten“. Damit werden im wirtschaftsrechtlichen Sinne die Verstöße Bestechung und Betrug umschrieben. Wer also zukünftig einen derartigen Verstoß in seinem Unternehmen meldet, wird vermutlich als Hinweisgeber unter die EU-Whistleblower-Richtlinie fallen.
AKTUELL 28.3.2022: Die Umsetzung der EU-Richtlinie
Das Umsetzen der EU-Richtlinie möglichst effizient und digital gestalten – werden Sie frühzeitig aktiv. Bereits zum 17.12.2021 hätte die Richtlinie in ein nationales Gesetz münden müssen. Das ist gescheitert und die Verantwortung zur Umsetzung liegt nun bei der Ampel-Koalition. Diese hat eine zügige Umsetzung versprochen und das lässt vermuten, dass Umsetzungsfristen recht kurz ausfallen dürften. Rechtsverstöße in den Unternehmen fallen in den meisten Fällen zunächst den Mitarbeitern auf. Als Verantwortlicher im Unternehmen fördern Sie eine Kultur des Hinsehens. Bieten Sie möglichst frühzeitig Ihr eigenes Digitales Hinweisgebersystem an. Beschäftigen Sie sich frühzeitig mit den notwendigen Prozessen. Sie werden schnell merken, wie umfangreich das wird. Wir unterstützen Sie gerne. Kontaktieren Sie uns.